SPORT LEADING CERTIFICATION Sport ist so vieldimensional und wirkt auf so vielen Ebenen, wie kaum ein anderer Bereich unserer Gesellschaft. Dennoch stehen die Funktionen und Leistungen eines Sportvereins, Verbands oder einer Organisation meist in einem deutlichen Missverhältnis zu dessen Anerkennung in der Gesellschaft.
Genau hier setzt die Sport Leading Certification an. Seit über acht Jahren ist sie mit ihren acht Kategorien – Company, Hotel, Event, Club, Organisation, City, Region und Newcomer – als Gütesiegel für die Sport- und Freizeitwirtschaft in Österreich etabliert. Namhafte Einrichtungen der Republik wie die Wirtschaftskammer Österreich, die Österreichische Sporthilfe, der VSSÖ sowie das Land Salzburg unterstützen die Initiative. Als Zertifizierungspartner agiert Anna Kleissner mit ihrem Unternehmen Econmove. Wir haben mit der Sportökonomin über die Vorteile eines Gütesiegels, das Bewertungsverfahren und die Wichtigkeit des Ehrenamts gesprochen.
Frau Kleissner, Sie werten mit Ihrem Unternehmen Econmove als Zertifizierungspartner der Sport Leading Certification die Angaben der Unternehmen und Organisationen aus. Was sind die wesentlichen Punkte und Kriterien, die ein Unternehmen erfüllen muss?
Die Herausforderung besteht darin, die Vielfältigkeit des Sports auch im Rahmen einer standardisierten Zertifizierung abzubilden. Würde man sich ausschließlich an wirtschaftlichen Kennzahlen orientieren, könnte man zwar Unternehmen mit marktfähigen Gütern und Dienstleistungen erfassen, andere wichtige Stakeholder im Sport wie beispielsweise einzelne Vereine oder ganze Verbände hätten hingegen keine realistische Chance auf eine Zertifizierung. Denn zum einen ist die Erzielung von Gewinnen für die meist gemeinnützig organisierten Institutionen per Definition ausgeschlossen, zum anderen würde die hohe Bedeutung des Ehrenamts die Personalkosten – als wichtigste Komponente der Wertschöpfung – weit unterdurchschnittlich erscheinen lassen.
Um den Sport in seiner ganzen Bandbreite abzubilden, braucht es also andere Bewertungsverfahren. Welche?
Völlig korrekt. Im Rahmen der Zertifizierung werden nicht nur ökonomische Kennzahlen erfasst, sondern auch sozio-ökonomische Aspekte sowie Visionen, Ziele und Prozesse auf ihre Nachhaltigkeit hin untersucht.
Die ökonomische Dimension wird einerseits durch eine der wichtigsten volkswirtschaftlichen Kennzahlen, die Bruttowertschöpfung, andererseits durch die geschaffenen Arbeitsplätze abgebildet. Hier werden sowohl der direkte wirtschaftliche Beitrag des Unternehmens, aber auch die Beiträge in der vor- und nachgelagerten Wertschöpfungskette berücksichtigt
Was wären klassische sozio-ökonomische Aspekte?
Sozio-ökonomische Aspekte umfassen alle in Geldeinheiten bewertbaren Dimensionen, vor allem den Wert des Ehrenamts und die gesundheitsökonomischen Effekte, aber auch positive Effekte durch Integration, Inklusion, Vermeidung von Kriminalität und so weiter.
Die zu zertifizierenden Institutionen müssen darüber hinaus über eine verschriftlichte Vision, wertebasierte Ziele und eine klare Strategie verfügen und zeichnen sich nur eine laufende Weiterentwicklung und professionelle Mitarbeiterführung aus. Zur Anwendung kommen ausschließlich State-of-the-Art-Methoden, wie sie auch EU-weit Verwendung finden.
Wodurch unterscheiden sich zertifizierte Unternehmen von anderen? Welche Kriterien und Standards müssen erfüllt werden, um das Sportgütesiegel zu erhalten?
Vereinfacht ausgedrückt sind Sport Leading Companies oder Organisationen solche, die in ihrer Perfomance hinsichtlich der zuvor genannten Kriterien überdurchschnittlich – verglichen mit dem jeweiligen Branchendurchschnitt in Österreich oder im Bundesland – abschneiden.
Am Beispiel der wirtschaftlichen Perspektive bedeutet dies, dass entweder unmittelbar, durch das Unternehmen selbst, oder mittelbar, über die Verflechtungen mit Zulieferern, besonders viele Impulse in Österreich ausgelöst werden und/oder vergleichsweise viele Jobs geschaffen werden. Da der Branchendurchschnitt die Benchmark darstellt, ist ein »fairer« Vergleich gewährleistet.
Welche Rolle spielen Aspekte wie das Ehrenamt, die Ökologie oder nachhaltige Unternehmensentwicklung?
ESG-Kriterien – das heißt Umwelt (Environment), gesellschaftliche Aspekte (Social) und verantwortungsvolle Unternehmensführung (Government) – zur Abbildung der Nachhaltigkeit einer Organisation oder eines Unternehmens werden zunehmend bedeutend.
Dies spiegelt sich auch in der Zertifizierung wider: So werden die gesellschaftlichen Wirkungen des Sports durch die Beiträge zur Gesunderhaltung der Gesellschaft, das heißt die gesundheitsökonomischen Effekte, die Quantifizierung des Ehrenamts sowie die Bewertung integrativer und inklusiver Wirkungen bereits gut abgebildet.
Während diese Aspekte im Rahmen der Zertifizierung noch recht neu sind, wurde auf die nachhaltige Unternehmensentwicklung bereits seit Start der Zertifizierungen ein starker Fokus gelegt.
Gibt es auch unterrepräsentierte Effekte?
Noch unterrepräsentiert sind die ökologischen Effekte – denen aber, gerade im Hinblick auf einzelne Events und ganze Regionen, große Bedeutung zukommt. Dies ist – noch – einem Mangel an geeigneten Methoden geschuldet. Ich bin jedoch überzeugt, dass wir in spätestens zwei Jahren auch hier entsprechende Kennzahlen in unsere Analysen integrieren können.
Wie wird sichergestellt, dass die Standards kontinuierlich aufrechterhalten und regelmäßig überprüft werden?
Hinsichtlich der gewählten Methoden orientieren wir uns daran, was international auf EU-Ebene als Best Practice eingestuft wird. Durch die enge Kooperation mit der Europäischen Kommission, Universitäten, aber auch Eurostat und der nationalen Statistik ist gewährleistet, dass hier stets die besten Methoden und detailliertesten Daten Verwendung finden. Auch die branchenspezifischen Benchmarks werden jährlich aktualisiert.
Inwiefern könnte die Sport Leading Certification als Basis für Förderungen oder Zuwendungen für öffentliche Ämter behilflich sein?
Ist ein Unternehmen, Veranstalter, Verein oder Verband zertifiziert, kann man darauf vertrauen, dass interne Strukturen nicht nur professionell, sondern auch nachhaltig sind und die mit dem Sport verbundenen, positiven Effekte auf Wirtschaft, Gesundheit und Wohlbefinden, Freiwilligenarbeit, Humankapitalbildung, Integration oder Inklusion besonders deutlich ausfallen.
Der Prüfungsaufwand in öffentlichen Stellen, aber auch der Aufwand für Unternehmen oder Organisationen im Zuge von Subventions- und Förderansuchen könnte dadurch ungleich geringer ausfallen. Zudem ist die Aussagekraft der im Rahmen der Zertifizierung generierten Kennzahlen deutlich höher. Die Wertschöpfung ist beispielsweise als Summe von Personalausgaben, Gewinnen und Abschreibungen gegenüber Einzelereignissen wie Konjunkturschwankungen deutlich weniger schwankungsanfällig als der Gewinn, der sich bereits von einem Jahr zum anderen massiv ändern kann.
Natürlich ist keiner öffentlichen Stelle zuzumuten, zum Beispiel im Zuge der Prüfung von Förderansuchen einen derartigen Aufwand zu betreiben, zumal die dahinterliegenden Modelle teils sehr komplex ausfallen und zu viele Personalressourcen binden würden. Wenn der Förderwerber diese Kriterien durch Nachweis einer aktuell gültigen Zertifizierung jedoch bereits nachweisen kann, stellt dies jedenfalls eine Win-win-Situation dar.
Welche Potentiale sehen Sie in der Internationalisierung des Sportgütesiegels?
Die Herausforderungen, den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Mehrwert eines Unternehmens oder einer Organisation im Sport abzubilden, sind in allen Ländern dieselben, dementsprechend sind die Potenziale enorm. Da es hinsichtlich der verwendeten Methoden und der benötigten Daten Einigkeit auf EU-Ebene gibt, wäre eine Umsetzung nicht nur in jedem Land möglich, sondern die Ergebnisse wären auch vergleichbar.
Und diese Vergleichbarkeit macht es besonders spannend, denn bei ausreichend großer Zahl an bewerteten Unternehmen und Organisationen können nicht nur die Best Practices identifiziert, sondern auch entsprechende Learnings abgeleitet werden.
Frau Kleissner, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.
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